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«Der Mann von La Mancha» weckt Emotionen und überzeugt. Die Sommeroper geht mit der Musical-Produktion neue Wege.

«Der Mann von La Mancha» weckt Emotionen und überzeugt. Die Sommeroper geht mit der Musical-Produktion neue Wege.

Beklemmende Atmosphäre im Passionsspielhaus: Hinter Gittern vom Unmöglichen träumen

«Der Mann von La Mancha» eröffnet die neue Spielzeit der Sommeroper Selzach, die nach Wagners «Holländer» und den Pandemieeinschränkungen mit einer Musical-Produktion neue Wege geht. Dabei bietet sie weder seichte Unterhaltungskost noch glitzernden Broadway-Glamour, sondern einen tiefschürfenden und unterhaltsamen Theaterabend, an dem mehr gesprochen als gesungen wird.

Zweifellos ist Regisseur Olivier Tambosi, Bühnenausstatter Oskar Fluri und Dirigent Iwan Wassilevski ein grosser Wurf gelungen – einer, der betroffen macht und zum Nachdenken anregt.

Religiöse Symbole erinnern an Golgata und die Inquisition

Vor dem Selzacher Passionsspielhaus prangt ein hohes, mit Nägeln bestücktes Kreuz, ein Lebensbaum und zwei riesige, silberne Kerzenleuchter – religiöse Symbole, welche an die Inquisition, aber auch an das Geschehen von Golgata erinnern. Malerisches Tableaux an der Fassade der Holzscheune, wo zwischen 1895 und 1972 die Passionsspiele das Leiden und Sterben Jesu nacherzählten.

50 Jahre später beschwört «Der Mann von La Mancha» das Martyrium des 1547 geborenen Dichters Miguel de Cervantes und seines Romanhelden Don Quixote. Auf der Bühne illuminieren mobile Gittertürme das Gefängnis, in welches Cervantes verfrachtet wird. Die Raumkonstellation von Oskar Fluri und das Lichtkonzept von Sigi Salke schaffen eine beklemmende Atmosphäre.

Im Kerker von Sevilla tummeln sich Betrüger, Mörder, Diebe und Huren, mit denen Cervantes Stationen seines Romans improvisiert und so sein Manuskript und sich selbst rettet. Das Musical erzählt mit Witz und Charme von der reinigenden Kraft des Theaters und dem unmöglichen Traum von einer besseren Welt, erzielt ein «Stück-im-Stück-Effekt».

Der Sänger-Schauspieler verschmilzt mit Cervantes‘ Figuren

Dabei verschmilzt der Titelheld und grossartige Sänger-Schauspieler Christian Manuel Oliveira mit den Figuren des Dichters und des Ritters von der traurigen Gestalt, lässt alle Facetten der vielschichtigen Charaktere aufblitzen. Mitreissend, wenn er mit hohem Bariton den «Unmöglichen Traum» oder «Ich bin ich, Don Quixote» intoniert, bewegend in den melancholischen Sequenzen, akrobatisch in den Ritterkämpfen.

Er schmachtet nach der idealen Frau, nach Dulcinea und betet das Strassenmädchen Aldonza an. Herrlich ordinär und schlampig gespielt von Christiane Boesiger. Der Schweizer Sopranistin ist anzumerken, dass sie von der Oper kommt. Den Wandel von der abgeklärten Hure zur mitfühlenden Dulcinea meistert sie gekonnt. Als geduldiger und kreativer Sancho Pansa ergänzt Michael Heller dieses Duo perfekt.

Eine Entdeckung für Musical-Fans

Für Musical-Fans eine Entdeckung ist der junge Schweizer Adrian Burri, der sich in die kleinen Nebenparts als Pedro, Barbier und als Pferd voll einbringt: ein attraktiver Mann, schönstimmig, vital und tänzerisch top.

Überhaupt sind alle Rollen adäquat besetzt, auch die kleineren. Regisseur Tambosi formt Darsteller zu Charakteren, angefangen bei «Padre» Konstantin Nazlamov, über den Wirt Marco Canada, die «Travestie-Haushälterin» Christoph Wettstein bis zur verführerischen Antonia von Eva Herger, einer talentierten Solothurner Nachwuchssängerin. Unterstützt vom rhythmisch untadeligen Orchester unter Iwan Wassilevski.

Ein inspiriertes Ensemble, dem ein unterhaltsamer und ergreifender Theaterabend glückte, der noch bis zum 21. August fortgesetzt wird. Ein junger Besucher der Generalprobe schwärmte: «Hammer, ganz grosses Kino.»

© 2022 Grenchner Tagblatt,  06.08.2022, Text by Silvia Rietz.

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