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Olivier Tambosi: Das intellektuelle Bühnentier will in Selzach mit Don Quijote unterhalten und berühren

«Jedes Werk kann klug, unterhaltsam und berührend auf die Bühne gebracht werden»: Regisseur Olivier Tambosi. Foto by José R. Martinez

Olivier Tambosi: Das intellektuelle Bühnentier will in Selzach mit Don Quijote unterhalten und berühren

Regisseur Olivier Tambosi inszeniert in Selzach vom 5. bis zum 21. August «Der Mann von La Mancha». Trotz klarer Vorstellungen lässt er den Darstellern Freiräume. «Das ist wie Pingpong, wo einer dem anderen den Ball zuspielt.»

«Jedes Werk kann klug, unterhaltsam und berührend auf die Bühne gebracht werden»: Regisseur Olivier Tambosi. Foto by José R. Martinez

«Der Mann von La Mancha» basiert mit dem Don Quijote des Miguel de Cervantes auf einem Stück Weltliteratur und thematisiert zeitlose Konflikte wie die Unterdrückung durch ein unmenschliches System und den Kampf für eine bessere, gerechtere Welt. «Diese bedingungs­lose Hingabe des Titelhelden an seinen ‹unmöglichen Traum› geht ans Eingemachte, betrifft uns auch heute und bedarf im Wesentlichen keines Aktualisierens», sagt Olivier Tambosi, der an der Sommeroper Selzach die erste Musicalproduktion inszeniert.

Tambosi ist ein Theatermensch durch und durch. Einer, der das Werk, den Komponisten und das Libretto kennt und respektiert. Ein Regisseur, der Stücke nicht krampfhaft gegen den Strich bürstet, um ihnen modische Aspekte aufzupfropfen. Dies würde seinem Ethos widersprechen wie auch seinem Charakter: Tambosis Ego benötigt keine Marketing-Mätzchen.

Natürlich gebe es Opern, die nach einer neuen Erzählform oder nach einer anderen Per­spektive verlangten. Dabei gehe es aber nicht darum, gewaltsam tagesaktuelle Bezüge herzustellen oder ein Stück nach Lust und Laune umzudeuten, sondern darum, «eine alte Geschichte neu zu erzählen», um dadurch auch einem heutigen Publikum den emotionalen Zugang zum inners­ten Kern der Werke zu ermöglichen.

Ein Intellektueller, ein Bühnentier, das Dingen auf den Grund geht

Dies sei immer eine Gratwanderung, aber man müsse auch Risiken eingehen. Natürlich sei eine Oper wie Mozarts «Le Nozze di Figaro» in ihrer zeitlos gültigen Kernaussage auch ohne Aktualisierung spannend und verständlich, aber es gehöre eben zum Wesen eines solchen Meisterwerks, dass es die Möglichkeit verschiedener und ganz unterschiedlicher Interpretationen in sich trage.

Spricht der in Paris geborene und in Österreich aufgewachsene Regisseur im weichen Wienerdialekt über seine Arbeit, blitzen die Augen und eine Aura geballter Energie wird spürbar. Olivier Tambosi ist ein Bühnentier und ein Intellektueller, der den Dingen auf den Grund geht, die Tiefe auslotet und mit seinem Wissen die Akteure für die Stücke begeistert.

Er inszenierte Musical und Schauspiel in der Freien Wiener Szene, bevor er 1989 die «Neue Oper Wien» gründete, deren Leiter er bis 1993 blieb. Danach wechselte Tambosi als Oberspielleiter für Musiktheater ans Stadttheater Klagenfurt. Seit 1996 ist er international als Opernregisseur tätig, an europäischen Häusern sowie an der New Yorker MET, den Opern von Chicago, San Francisco und Los Angeles, in Japan, China wie auch in Mexiko und Ägypten. Sein Repertoire reicht von Werken des Barock bis zur Gegenwart.

Privates und Beruf vereint: In Selzach singt auch seine Frau

Oft arbeitet er mit seiner Frau, der Sopranistin Christiane Boesiger zusammen. Sie spielt in Selzach Aldonza/Dulcinea, die imaginäre Geliebte von Don Quijote. Seit 1993 sind sie ein Paar und werden oft zusammen gebucht. «Hier gemeinsam zu arbeiten und den Sommer zu verbringen, empfinden wir als Geschenk», lächelt er.

Auf die Frage, ob die beiden zuhause abschalten, schmunzelt er erneut und meint: «Die Gedanken drehen sich nach Feierabend weiter. Da werden auch Theaterthemen ins Private mitgenommen und oft heftig diskutiert.» Es sei toll und bereichernd, sich mit seiner Partnerin auf diese Weise austauschen zu können.

«Wir wälzen nicht nur Ideen, sondern praktizieren das klassische Modell von These, Antithese und Synthese.»

Ein Pingpong der Ideen Olivier Tambosi liebt spannende Diskussionen und erörtert mit seinen Darstellern und Sängerinnen, wie eine Figur charakterisiert werden kann. «Das ist wie Pingpong, wo einer dem anderen den Ball zuspielt.»

Tambosi ist der Chef, doch einer, der dem Ensemble Freiräume eröffnet und dadurch das Beste aus ihm herausholt. «Ich will nicht wegen meiner Stellung als Autorität wahrgenommen werden, sondern weil ich aus der Liebe zu den Stücken heraus inszeniere», sagt er. «Weil ich dabei nach der Wahrheit suche und oberflächliche Interpretationen ablehne. Egal um welches Genre es sich handelt. Oper und Operette oder Musical und Schauspiel, jedes Werk kann klug, unterhaltsam und berührend auf die Bühne gebracht werden. Dafür stehe ich.»

Auch das Musical «Der Mann von La Mancha», welches vom 5. bis 21. August im Passionsspielhaus gezeigt wird, profitiert von Tambosis Credo und Können.

© 2022 Grenchner Tagblatt, 31.07.2022, Text by Silvia Rietz.

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